Die Übergänge zwischen meiner Rolle als Yoga-Schülerin und als Yoga-Lehrerin sind für mich immer noch sehr fließend. Ich versuche, im Hinblick auf den Schutz und die Wirksamkeit meiner eigenen Praxis Grenzen zu ziehen. Dennoch fällt es mir schwer, da ich im Unterrichten in einer Intensität und Tiefe Themen in mir begegne, die ich dann in meiner eigenen Praxis erkunde und bearbeite. So gesehen hilft und erinnert mich das unterrichten einfach nur immer wieder daran, wie sehr ich Lernende bin, zeigt mir all die Bereiche in die ich noch mehr Mitgefühl und Achtsamkeit einladen darf.
Ich betrachte Schülerin und Lehrerin sein wohl mehr als eine Skala, als zwei Extrempunkte zwischen denen ich mich bewege, wo das eine immer auch das andere informiert und beeinflusst.
Was für mich noch im Werden ist, ist die Frage wann und wie ich all das was ich im persönlichen Leben – und dann auch immer irgendwie in meiner eigenen Praxis – erkunde, bewusst mit in meine Yogastunden nehme. Denn ich sehe auch die Gefahr, bestimmte Themen in denen ich zum Beispiel noch sehr in eigenem Schmerz oder Verblendungen bin, durch diese Einfärbung nicht neutral und fragend an meine Schüler:innen geben zu können, sondern aus meinem Ego heraus, vielleicht sehr dogmatisch, vielleicht so starr dass gar keine Einladung entsteht die persönlichen Empfindungen und Verknüpfungen damit zu erkunden, weil der Rahmen von mir gesteckt ist, und dass zu eng.
In meinen Beziehungen versuche ich dann, da ganz offen zu sein und zu sagen: „Ich merke, dass ich bei dem Thema nicht offen und neugierig sein kann, weil es in mir einen wunden Punkt berührt und mein Drang mich zu schützen so stark ist, dass ich mein Herz verschließe.“ Zum Beispiel, womöglich auch weniger elegant ausgedrückt, wenn es womöglich in einem Moment des Konfliktes ist 😉
Nun ist aber in der Yogastunde meine Arbeit neben allem anatomisch-physischen ja auch immer das energetische Raum halten. Und eben wie oben angesprochen: eine Einladung zu schaffen, durch das Üben auf der Matte einzutauchen ins eigene Erleben, in Widerstände und Anhaftungen, in Gefühle, Gedanken und auch die Auseinandersetzung mit bestimmten Themen. Nicht so sehr über das Denken und den Verstand, sondern über die Intention die ins Handeln, die Bewegungen verwoben wird, und dann das Beobachten des eigenen Handelns, des Fließens und der Widerstände.
Ich bin ganz ehrlich und sage dir: an manchen Tagen stecke ich doch noch sehr in alten Mustern – mein eigenes Erleben zu leugnen, zu unterdrücken, dem keinen Raum zu geben. Was dazu führt, dass ich dann auch im Anderen dem keinen Raum geben kann, was ich in mir selbst nur schwer oder gar nicht ertragen kann. Da bin ich in Übung und im Prozess, weil ich meine Beziehung und mein Arbeiten so gestalten möchte, dass ich alles Menschliche einladen kann.
Die Antwort ist also nicht, dass ich mein eigenes Leben beiseite lege, sobald ich zur Lehrenden werde. Genau so wenig kann es aber sein, dass ich komme und diesen energetischen Raum mit der Fülle an meinen Gefühlen völlig vereinnahme. Und meine Angst ist es, diesen Effekt zu erzeugen, wenn ich ein Thema mitbringe, bei dem ich selber noch total verhaftet bin. Bei dem ich mich im Denken und Spüren, im Anhaften und Ablehnen verliere. Bei dem ich selber die Offenheit nicht mitbringe, die die Erkundung ja braucht, um neue Antworten und Perspektiven zu finden.
Ich frage mich – beginnt die Offenheit in dem Moment, in dem ich mir die Frage stelle, mit der ich mich auf die Suche begebe?
Denn ich weiß, dass ich schon oft wusste, welche Frage ich stellen muss – welche Frage sich eigentlich ganz von alleine stellt, einfach durch Umstände, sei es äußerer oder innerer Art. Dass ich aber so sehr fürchtete, was mir begegnen könnte, wenn ich einmal wirklich im Fragen bin, dass ich all meine Sinne, mein Spüren und mein Herz selbst vor der Frage schon verschlossen habe.
Doch meine Vernunft, die so lange geherrscht hat über jegliches Problem dem ich begegnete, mein Denken und Wissen und Lösen wollen, die Vernunft sagt, dass das Fragen alleine ja nicht ausreicht. Dass es doch um die Antworten geht. Und ob man nicht auch bereit sein kann zu fragen, aber nicht bereit sein, die Antwort(en) zu hören, zu spüren.
Das sind so feine Ebenen und Unterschiede, dass dieser Verstand, dieses Kategorisieren wollen doch eigentlich fast nur wieder ein Schutz vor dem wahren Leben, dem wahren Sein sein kann. Denn das geht nur durch’s spüren, es beginnt dort wo Worte und Wissen und Sicherheit aufhören, es ist ein Spiel mit Möglichkeiten und Versionen, ein nie ganz richtig und nie ganz falsch.
Irgendwo habe ich gelesen, und ich würde mich gerne erinnern wo, einfach schon nur um meiner selbst willen, dass die Frage das Wichtige ist. Dass die Frage den Raum öffnet, ja womöglich stand dort sogar, dass die Antwort etwas Schließendes hat, zu fest und starr ist.
Und so bleibt mir der Versuch, wenn ich schon nicht diese beiden einander gegensätzlichen Punkte Schülerin – Lehrerin habe, zumindest auf der Skale drei Bereiche festzulegen. Den Bereich des Schülerin-Seins, den Bereich des Lehrerin-Seins und das Niemandsland dazwischen, von dem ich mich frage, was ich damit machen soll, oder ob das der Bereich ist, in dem ich lernen darf, dass es manchmal darum geht, nichts zu machen, nichts machen zu wollen. So bleibt der Tanz auf dem Seil, vorwärts, rückwärts, straucheln und Momente der Eleganz. Und tief in mir, ganz leise, singt meine Seele, auch wieder jenseits der Worte, weswegen jeder Versuch ihr Lied zu greifen fade ist.. dennoch: sie singt, dass ich es nun endlich begriffen habe. Der Tanz ist das Ziel, das Loslassen davon irgendwo ankommen zu müssen, das Loslassen davon, wie etwas zu sein hat, und das Spüren von dem was ist, und der Versuch, dieses tiefste Innere ins Handeln zu legen, egal wo, egal als wer.
Die einzige Rolle: ganz ich selbst zu werden, ganz ich selbst zu sein, in jedem Jetzt.